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Revision des Erbrechts

28.06.2022

Das schweizerische Erbrecht - geregelt im ZGB - wurde revidiert. Die Änderungen treten am 1. Januar 2023 in Kraft. Massgebend für das anwendbare Recht (altes Recht / neues Recht) ist grundsätzlich der Todestag des Erblassers.

Verlust des Pflichtteilsanspruchs bereits im Scheidungsverfahren

Bisher und unverändert: Erst wenn die Ehegatten ordentlich geschieden worden sind, verlieren sie zueinander das gesetzliche Erbrecht.

Neu verliert der überlebende Ehegatte seinen Pflichtteilsanspruch bereits, wenn beim Tod des Erblassers ein Scheidungsverfahren beim Gericht hängig ist oder dieses einseitig hätte eingeleitet werden können. Der überlebende Ehegatte kann in diesem Fall keine Ansprüche mehr aus Verfügungen von Todes wegen erheben und die Pflichtteile werden so berechnet, wie wenn der Erblasser nicht verheiratet wäre. Diese (Zusatz)Regel gilt, wenn

  • das Scheidungsverfahren auf gemeinsames Begehren eingeleitet oder auf gemeinsames Begehren fortgesetzt wurde, oder
  • die Ehegatten mindestens zwei Jahre getrennt gelebt haben

Nur durch ausdrückliche Anordnung können die Ehegatten den Pflichtteilsanspruch auch während eines Scheidungsverfahrens beibehalten. Der überlebende Ehegatte bleibt aber bis zur Rechtskraft der Scheidung gesetzlicher Erbe. Liegt also keine Verfügung von Todes wegen vor (Testament oder Erbvertrag), bleibt der überlebende Ehegatte nach seinem gesetzlichen Erbanteil begünstigt, bis ein rechtskräftiges Scheidungsurteil vorliegt. Wer in einem Scheidungsverfahren steht und seinen Ehegatten erbrechtlich nicht begünstigen möchte, muss dies mit einer letztwilligen Verfügung entsprechend erklären.

Pflichtteile - bisherige Regelung

Bisher betrug der Pflichtteil der Nachkommen drei Viertel des gesetzlichen Erbanspruchs. Der Pflichtteil der Eltern, des überlebenden Ehegatten, der eingetragene Partnerin oder des eingetragenen Partners betrug bisher jeweils die Hälfte des gesetzlichen Anspruches.

Pflichtteile - neue Regelung

Neu beträgt der Pflichtteil generell die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruches, womit insbesondere der Pflichtteil der Nachkommen verringert wird. Die Eltern des Erblassers sind neu nicht mehr pflichtteilsberechtigt. Folglich vergrössert sich die Erbquote, über die der Erblasser frei verfügen kann; es sind nur noch die Nachkommen, der Ehegatte oder der eingetragene Partner pflichtteilsberechtigt.

Die Erbquoten im Detail
  bisher neu ab 01.01.2023
Erbanteil Pflichtteil Frei verfügbar Erbanteil Pflichtteil Frei verfügbar
Nur Nachkommen 1/1 3/4 1/4 1/1 1/2 1/2
Nur Ehegatte / eingetr. Partner 1/1 1/2 1/2 1/1 1/2 1/2
Nur Eltern 1/1 1/2 1/2 1/1 0 1/1
Nur Geschwister 1/1 0 1/1 1/1 0 1/1

 

  bisher neu ab 01.01.2023
Erbanteil Pflichtteil Frei verfügbar Erbanteil Pflichtteil Frei verfügbar
Nachkommen und 1/2 3/8 1/8 1/2 1/4 1/4
Ehegatte / eingetr. Partner 1/2 2/8 2/8 1/2 1/4 1/4
Gesamt 1/1 5/8 3/8 1/1 1/2 1/2

 

  bisher neu ab 01.01.2023
Erbanteil Pflichtteil Frei verfügbar Erbanteil Pflichtteil Frei verfügbar
Eltern und 1/4 1/8 1/8 1/4 0 2/8
Ehegatte / eingetr. Partner 3/4 3/8 3/8 3/4 3/8 3/8
Gesamt 1/1 1/2 1/2 1/1 3/8 5/8

 

  bisher neu ab 01.01.2023
Erbanteil Pflichtteil Frei verfügbar Erbanteil Pflichtteil Frei verfügbar
Geschwister und 1/4 0 2/8 1/4 0 2/8
Ehegatte / eingetr. Partner 3/4 3/8 3/8 3/4 3/8 3/8
Gesamt 1/1 3/8 5/8 1/1 3/8 5/8

 

  bisher neu ab 01.01.2023
Erbanteil Pflichtteil Frei verfügbar Erbanteil Pflichtteil Frei verfügbar
Vater oder Mutter und 1/2 1/4 1/4 1/2 0 1/2
Geschwister 1/2 0 2/4 1/2 0 1/2
Gesamt 1/1 1/4 3/4 1/1 0 1/1

 

Nutzniessung

Bisher konnte der Erblasser dem überlebenden Ehegatten gegenüber den gemeinsamen Nachkommen die Nutzniessung am ganzen ihnen zufallenden Teil der Erbschaft zuwenden. Neu gilt die Nutzniessungsregelung auch für die eingetragene Partnerin / den eingetragenen Partner. Zudem beträgt neben dieser Nutzniessung neu die verfügbare Quote die Hälfte des Nachlasses (bisher ein Viertel).

Schenkung zu Lebzeiten

Art. 494 Abs. 3 ZGB regelt, dass Zuwendungen durch den Erblasser zu Lebzeiten oder auf seinen Tod hin, die mit einem abgeschlossenen Erbvertrag nicht vereinbar und in einem solchen nicht vorbehalten worden sind, durch die Vertragspartner angefochten werden können. Davon ausgenommen sind lediglich Gelegenheitsgeschenke.

Somit wird es mit einem Erbvertrag ohne Schenkungsvorbehalt in den meisten Fällen zu einem Schenkungsverbot führen und es besteht grundsätzlich ein Handlungsbedarf. Da der Gesetzgeber den Begriff "Gelegenheitsgeschenke" nicht abschliessend definiert hat, empfiehlt es sich, auch diesbezüglich unter den Parteien des Erbvertrags Klarheit zu schaffen.

Kein Übergangsrecht

Da das neue Erbrecht kein eigentliches Übergangsrecht vorsieht, entscheidet der Zeitpunkt des Todes des Erblassers, welche gesetzliche Regelungen zur Anwendung kommen. Das bedeutet, dass auf Erbfälle ab dem Stichtag 1. Januar 2023 grundsätzlich das neue Erbrecht anwendbar sein wird. Gleichzeitig wird das neue Erbrecht aber auch auf existierende Testamente und Erbverträge anwendbar sein, woraus sich schwierige Auslegungsfragen ergeben. Insbesondere in Fällen, in denen eine Person "auf den Pflichtteil gesetzt wird" ohne bestimmte Quote zu bezeichnen, ist der erblasserische Wille mittels Auslegung zu ermitteln.

Fazit

Aufgrund der Gesetzesrevision empfiehlt es sich also, ein bereits verfasstes Testament oder den Erbvertrag auf die Gültigkeit und den Willen zur Verteilung des Vermögens hinsichtlich der erweiterten verfügbaren Quote und den Schenkungen zu Lebzeiten oder auf den Tod hin zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, respektive neu zu erstellen.

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